Rückblick: Fachtagung Patientenlotsen vom 5. November 2019

Mit Patientenlotsen komplexe Versorgung organisieren

Wenn Resonanz ein Indikator für Problembewusstsein und Handlungsdruck ist, muss der Bedarf an patientenorientiertem Case-Management immens sein. Über 200 Teilnehmer folgten der Einladung des BMC und der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe zur „Fachtagung Patientenlotsen“ am 5. November und machten deutlich, dass sie von dieser Form der engmaschigen Betreuung gravierende Verbesserungen in der Versorgung erwarten.

Bisher nur Modellprojekte

Obwohl das Thema seit Langem diskutiert wird, existieren bislang lediglich räumlich, zeitlich und auf einzelne Indikationen begrenzte Modellprojekte. Einzig im DMP Herzinsuffizienz ist das Case-Management seit 2018 zu finden – nach überaus kontroverser Diskussion im G-BA. Dabei ist der Nutzen von Patientenlotsen in einer alternden Gesellschaft mit komplexen Versorgungsbedarfen, einer Häufung chronischer Erkrankungen und oft multimorbiden Patienten naheliegend.

Auch Prof. Claudia Schmidtke, Mitglied des Bundestages und Patientenbeauftragte der Bundesregierung, äußerte in ihrem Grußwort ihre Überzeugung, dass Patientenlotsen dazu beitragen können, die Versorgung patientenzentrierter zu organisieren und die Koordinierung zwischen den verschiedenen Leistungserbringern zu verbessern. Ziel müsse dabei der mündige Patient sein. Sie verwies auf die vom Ministerium beauftragte und 2018 vorgelegte IGES-Studie „Versorgungsmanagement durch Patientenlotsen“, die ebenfalls positive Effekte prognostiziert und auf international positive Erfahrungen hingewiesen habe. Entsprechend plädierte Schmidtke dafür, den Leistungsanspruch für Patientenlotsen gesetzlich zu verankern und damit ihren Einsatz in der Regelversorgung zu ermöglichen.

Entlastung für Ärzte, Teilhabe für Patienten

Dem pflichtete auch Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, bei. Insbesondere betonte er die Entlastung für Hausärzte von organisatorischen Tätigkeiten, die von Patientenlotsen übernommen werden könnten. Während die Ärzte primär andere Aufgaben hätten, könnten Lotsen darüber hinaus auch dem erhöhten Beratungsbedarf von Patienten nachkommen. Reinhardt warnte aber auch vor überzogenen Erwartungen. So spiele Case-Management bei der Krankenhausplanung bislang noch überhaupt keine Rolle. Zudem hätten Ärzte selbst mit Unterstützung durch Lotsen weiterhin einen Informationsvorsprung gegenüber Patienten, weshalb Vertrauen im Arzt-Patienten-Verhältnis unverändert wichtig bleibe.

Prof. Peter Löcherbach von der Katholischen Hochschule Mainz und zugleich Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Care- und Case-Management erläuterte in seinem Vortrag zunächst den Grundgedanken, mit Patientenlotsen die medizinische und soziale Versorgung zu verknüpfen. Damit könne die Lebensqualität und Teilhabe von Patienten verbessert werden. Gegenwärtig bestünden für einige Patientengruppen Zugangsbarrieren zur Versorgung, die sie mit Hilfe von Lotsen überwinden könnten. Dazu müssten diese entsprechend qualifiziert sein, was sowohl administrative als auch indikationsspezifische medizinische Kenntnisse erfordere. Grundsätzlich sollte Case-Management nach Ansicht von Löcherbach zeitlich begrenzt sein, bis Patienten sich selbständig in der Versorgung zurechtfinden. Zudem müsse sich der Betreuungsumfang am Bedarf des Patienten (z. B. am Schweregrad der Erkrankung) orientieren. Abschließend sprach er sich dafür aus, Patientenlotsen unabhängig von bestehenden Leistungserbringern und als Teil eines Versorgungsverbunds zu etablieren, damit sie Patienten neutral nach deren Bedürfnissen beraten können.

Praktische Erfahrungen positiv

Neben den Einzelvorträgen verschafften sich die Teilnehmer in verschiedenen Fachforen zudem einen Eindruck von der konkreten Umsetzung von Patientenlotsen. Verschiedene Projekte stellten ihre Konzepte vor, mit denen Lotsen u.a. bei Schlaganfall-Patienten, kardiologischen Erkrankungen oder in der Geriatrie zum Einsatz kommen. Auch hier fielen die Erfahrungsberichte durchweg positiv aus.

Der BMC wird die Erkenntnisse der Fachtagung und insbesondere die Erwartungen an eine zügige Implementierung von Patientenlotsen in der Regelversorgung mit politischen Entscheidungsträgern diskutieren. Erstes Ziel ist ein rechtlich abgesicherter Leistungsanspruch in dessen Folge dann auch eine gesonderte Vergütung geregelt werden muss.