Hintergrundgespräche 2015 im BMC
Zu Gast beim BMC: Prof. Dr. Ulrich Weinberg, Prof. Dr. Peter Wigge, Dr. Sveja Eberhard und Dr. Matthias Walle, Prof. Dr. David C. Goodman, Dr. Wulf-Dietrich Leber, Dr. Maya Leventer-Roberts, Dr. Christof Veit, Dr. Jan Leidel
Capital Talk mit Prof. Dr. Ulrich Weinberg
Am 18. Mai 2015 begrüßte der BMC Prof. Dr. Ulrich Weinberg, Leiter der School of Design Thinking am Hasso Plattner Institut, als Referenten für einen Capital Talk im kleinen Kreis. Thema des Abends war „Innovationsdenken und Markenbildung – Was kann das Gesundheitswesen von anderen Branchen lernen?“.
In seinem Vortrag erläuterte Professor Weinberg zunächst, dass Design Thinking ein methodischer Ansatz ist, mit dem kreative Lösungen und Innovationen zielorientiert entwickelt werden können. Design Thinking hilft dabei, praktikable Lösungen für alle Lebensbereiche zu entwickeln, da die Teams stets multidisziplinär und die Prozesse interaktiv gestaltet sind. Der Fokus liegt dabei immer auf dem Nutzer. Eine wichtige Besonderheit des Design Thinking ist die Notwendigkeit kreativer Zusammenarbeit über räumliche, zeitliche und kulturelle Grenzen hinweg. Anschließed ging Professor Weinberg auf die Ausrichtung der School of Design Thinking ein. Dort wird im Kontext fachlicher Diversität untersucht, wie Design Thinking mit traditionellen Ingenieurs- und Management-Ansätzen ineinandergreift. Insbesondere wird analysiert, warum sich die Struktur erfolgreicher Design Teams grundlegend von traditionellen Team-Strukturen in Unternehmen unterscheidet.
Hintergrundgespräch mit Prof. Dr. Peter Wigge
Am 28. Mai 2015 referierte Prof. Dr. Peter Wigge, Mitglied des erweiterten BMC-Vorstands und Vorstand des BMC Regional NRW, zum Thema „Kooperationen unter Korruptionsverdacht? – Auswirkungen des geplanten § 299a StGB auf die Zusammenarbeit im Gesundheitswesen“. Die Bestrebungen, Bestechlichkeit und Korruption im Gesundheitswesen strafrechtlich zu verfolgen, bestünden schon lange, führte Prof. Wigge aus. Allerdings müsse die Frage geklärt werden, ob durch die Ergänzung des § 299a ins Strafgesetzbuch Korruption und Bestechlichkeit langfristig und effektiv bekämpft werden können. Des Weiteren ergab sich die Frage, ob mit dem Gesetz der richtige Weg eingeschlagen werde oder ob dadurch sogar Risiken für Kooperationen im Gesundheitswesen entstünden. Aus Sicht von Professor Wigge müsse deshalb eine genauere Überprüfung des Gesetzes und der darin enthaltenen Formulierungen erfolgen. Auch die Begründung für das Gesetz sollte transparenter gestaltet werden.
Hintergrundgespräch mit Dr. Sveja Eberhard und Dr. Matthias Walle
Das Thema „Psychische Erkrankungen: Niedrigschwellige Versorgung in Stadt und Land“ rückte am 2. Juni 2015 in den Fokus des BMC. Frau Dr. Eberhard, Leiterin des Stabsbereichs Versorgungsforschung und Gesundheitspolitik bei der AOK Niedersachsen, hat bereits umfangreiche Studien zu den Themen Burn-Out und Depressionen durchgeführt. Sie führte in das Thema ein und stellte die Studie „Depression und Burn-Out: Zur Interaktion zwischen Epidemiologie, Medien, Versorgung und Routinedaten“ vor. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass es zwar eine höhere Diagnosehäufigkeit psychischer Erkrankungen gibt, man daraus aber nicht auf eine Steigung der Prävalenz schlussfolgern darf. Die Versorgung psychisch kranker Menschen ist momentan nicht ausreichend und muss verbessert werden. Außerdem sollte die Prävention psychischer Erkrankungen als interdisziplinäre Aufgabe angesehen werden.
Dr. Matthias Walle, Geschäftsführer bei IVPNetworks und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, stellte mit IVPNetworks den in Deutschland größten flächendeckenden Anbieter für die Integrierte Versorgung von psychisch kranken Menschen vor. Er berichtete, wie IVPNetworks niedrigschwellige Versorgung, u. a. durch Telecoaching und eine Krisenhotline, sicherstellen kann. Ein Faktor für die erfolgreiche Versorgung ist dabei vor allem die regionale Organisation des Netzwerkmanagements.
Breakfast Talk mit Prof. Dr. David C. Goodman
Im Rahmen eines BMC Breakfast Talks am 3. Juni 2015 stellte Professor David C. Goodman von der Dartmouth Medical School in Vermont, USA, die Arbeit des Dartmouth Institute und die Entwicklung des Dartmouth Atlas of Health Care vor. Für den Dartmouth Atlas werden seit 1994 US-weit Daten zu Leistungen, Qualität, Kosten und Patientenerfahrungen im Bereich der Gesundheitsversorgung erfasst und kleinräumig ausgewertet. Ziel ist es, die regionalen Unterschiede darzustellen, die sich nicht durch Morbidität oder Patientenpräferenzen erklären lassen, sondern deren Ursachen im Versorgungssystem selbst begründet sind. Durch die Analyse der Daten können anschließend Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung abgeleitet werden. Das von Prof. Dr. John E. Wennberg gegründete Dartmouth Institute zählt zu den renommiertesten Versorgungsforschungsinstituten weltweit. Neben dem Dartmouth Atlas brachte es mehrere neue Studiengänge (z. B. Evaluative Clinical Sciences) und Fachzentren (z. B. Center for Shared Decision-Making) hervor.
Hintergrundgespräch mit Dr. Wulf-Dietrich Leber
Ebenfalls am 3. Juni 2015 empfing der BMC Dr. Wulf-Dietrich Leber vom GKV-Spitzenverband zum Thema „Krankenhaus-Strukturgesetz – ein Schritt zu qualitätsorientierter Strukturbereinigung?“. Nach Einschätzung von Herrn Dr. Leber handelt es sich bei dem geplanten Krankenhaus-Strukturgesetz zwar um eine Krankenhausreform mit guten Absichten, die jedoch bei Weitem nicht alle aktuellen Herausforderungen im stationären Bereich lösen wird. So sei das Problem der rückläufigen Investitionen der Bundesländer weiterhin ungeklärt. Begrüßenswert ist aus Lebers Sicht die Fokussierung auf das Thema Qualität, wobei die Entwicklung von Qualitätsindikatoren extrem komplex sei. Eine Wirkung sei in diesem Bereich erst langfristig zu erwarten. Mit dem Strukturfonds zum Abbau von stationären Überkapazitäten gehe die Politik einen richtigen Schritt, wenngleich die vorgesehenen Mittel nach Lebers Einschätzung nicht ausreichen werden, um hier durchschlagende Ergebnisse zu erzielen. Kritisch sah Herr Dr. Leber darüber hinaus die Übertragung zahlreicher neuer Aufgaben an den G-BA, die in seinen Augen eine Überforderung der Selbstverwaltung darstellt.
Capital Talk mit Dr. Maya Leventer-Roberts
Auf der BMC-Fachtagung am 9. Juni 2015 zum Thema Digital Health hatte Dr. Maya Leventer-Roberts, MD, MPH, Director Translational Policy am Clalit Research Institute in Israel, bereits einen Einblick in das israelische Gesundheitssystem gegeben. Am Abend vertiefte sie ihre Ausführungen in kleinerer Runde bei einem BMC Capital Talk unter dem Titel „The Israeli Health System as a Model for Continuous Improvement“. Die israelische Krankenversicherung Clalit Health Service hat in den vergangenen Jahren die umfassende digitale Dokumentation von Patientendaten vorangetrieben. Anhand einiger Beispiele skizzierte Leventer-Roberts, wie aus diesen Daten konkrete Interventionen für einzelne Patienten abgeleitet werden. Wenngleich das israelische Vorgehen in Deutschland auf einige Datenschutzhürden treffen würde, war es beeindruckend zu erfahren, welche neuen Möglichkeiten für eine patientenzentrierte Versorgung sich durch eine konsequent geführte elektronische Patientenakte eröffnen.
Hintergrundgespräch mit Dr. Christof Veit
Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen stand am 22. Juni 2015 im Fokus eines BMC-Hintergrundgesprächs. Der Leiter des IQTIG, Dr. Christof Veit, referierte zu den Zielen, Aufgaben und Herausforderungen des Anfang des Jahres neu gegründeten Instituts. Das IQTIG ist ein unabhängiges Institut des Gemeinsamen Bundesausschusses und seiner Träger. Die Tätigkeit erfolgt im Auftrag des G-BA und entsprechend des gesetzlichen Auftrags durch das Bundesministerium für Gesundheit. Bei der Aufgabe Modelle und Ideen in die Praxis zu überführen, sind die Zielgrößen wichtig: Praktikabilität, Effektivität und Justitiabilität.
Dr. Veit lobte, dass das Qualitätsparadigma stärker in den Fokus gerückt sei und eine Steuerung erlaube, die nicht allein ökonomischen Aspekten geschuldet ist.
Hintergrundgespräch mit Dr. Jan Leidel
Im Juli dieses Jahres lud der BMC seine Mitglieder zu einem letzten Hintergrundgespräch vor der Sommerpause ein. Dr. Jan Leidel, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission des Robert Koch Instituts, beschäftigte sich mit der aktuellen Debatte über die Einführung einer Impfpflicht.
Zu Beginn stellte Dr. Leidel klar, dass die Einführung einer Impfpflicht einen Eingriff in die Grundrechte darstellen würde. Eine Impfpflicht in Deutschland wäre somit auch verfassungsrechtlich relevant. Aktuell gilt: Bei einer Impfung ohne Einwilligung des Impflings oder dessen gesetzlichen Vertreters handelt es sich um Körperverletzung. Allerdings sei laut einer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Einschränkung dieses Grundrechts möglich, wenn dadurch der Schutz von Leben und Gesundheit vor einer Krankheit gewährleitet werden kann, die mithilfe einer Impfung verhindert werden könnte.
Für Eingriffe in das Grundrecht muss in Deutschland der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfüllt sein. Das bedeutet, dass eine solche Maßnahme einen legitimen öffentlichen Zweck verfolgen muss. Vor diesem Hintergrund blickte Dr. Leidel eher kritisch auf die Impfpflicht. Seiner Ansicht nach sind etliche, weniger rigide Instrumente noch nicht ausgeschöpft.
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