BMC-Interview mit Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, stellvertretendes unparteiisches Mitglied im G-BA (seit Juli 2018)

Dr. Rolf-Ulrich Schlenker ist seit Juli 2018 als stellvertretendes unparteiisches Mitglied in den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gewählt. Wir haben mit dem langjährigen Vorstandsmitglied des BMC und jetzt Beiratsmitglied über seine aktuelle Aufgabe gesprochen.

Wie ist Ihre Aufgabe im G-BA zu verstehen und wie ist diese Rolle in der G-BA Organisation einzuordnen?
Um meine Rolle zu erklären, muss ich zuerst auf die Struktur des G-BA eingehen. Es gibt drei unparteiische und hauptamtlich tätige Mitglieder im G-BA: Prof. Josef Hecken als unparteiischer Vorsitzender und Frau Prof. Elisabeth Pott sowie Frau Dr. Monika Lelgemann als weitere unparteiische Mitglieder. Die drei hauptamtlichen Mitglieder haben je zwei ehrenamtlich tätige Stellvertreter. Nach meiner Nominierung durch den Verwaltungsrat des GKV Spitzenverbandes erfolgte eine Rechtsprüfung durch das BMG und eine Bestätigung durch den Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages. Wichtige Kriterien der Prüfung sind der Nachweis der Unabhängigkeit sowie die Einhaltung einer einjährigen Karenzzeit zur Vortätigkeit. Unsere Amtszeit hat am 1.7.2018 begonnen und dauert sechs Jahre.

Welchen Ausschuss betreuen Sie in Ihrer Funktion als unparteiisches Mitglied?
Zunächst bin ich einer der beiden ehrenamtlich tätigen Stellvertreter des Vorsitzenden Prof. Hecken sowie im Unterausschuss Qualitätssicherung Stellvertreter von Frau Prof. Pott als dortiger Vorsitzender. Der Unterausschuss Qualitätssicherung ist mit rund 60 Mitwirkenden sehr groß. Die hohe Teilnehmerzahl erklärt sich dadurch, dass hier sehr komplexe Themen der sektoralen und übergreifenden Qualitätssicherung behandelt werden. Neben den immer gesetzten Bänken mit GKV Spitzenverband, KBV, KZBV, DKG und Patientenvertretung wirken unter anderen auch Ländervertreter, der Deutsche Pflegerat, die Bundesärztekammer und der PKV Verband mit.

Wie sieht ihre praktische Aufgabe als unparteiisches Mitglied beim G-BA aus?
Als Stellvertreter kommt man naturgemäß erst im Vertretungsfall zum Zuge. Im Plenum des G-BA und im Unterausschuss ist man nach Möglichkeit anwesend, um auch fachlich am Ball zu bleiben. Es besteht eine Mitsprachemöglichkeit in den Gremien und bei den diversen Vorbesprechungen. Zur Sitzungsvorbereitung muss man sich intensiv in die umfangreichen Beratungsunterlagen einlesen. Das kostet jede Menge Zeit.

Was hat Sie dazu bewogen, Stellvertreter zu werden?
Nun, je nach vorheriger Berufstätigkeit wird man von einer im G-BA vertretenen Bank angesprochen. Dann erfolgt ein aufwändiges Nominierungsverfahren. Für mich stellt es eine große Ehre dar, im G-BA als „Zentralorgan und kleinem Gesetzgeber“ der Gemeinsamen Selbstverwaltung mitwirken zu dürfen. Schließlich werden dort die Einzelheiten der Versorgung von 70 Millionen GKV-Versicherten und vielen Leistungserbringern vom Krankenhaus bis zur Physiotherapeutin festgelegt.
Nach zwei Monaten im G-BA kann ich sagen: Es wird dort mit hohem Sachverstand, hoher Professionalität und Ernsthaftigkeit gearbeitet. Man fühlt die Verantwortung als „kleiner Gesetzgeber“. Ich empfehle jedem, als Gast an einer öffentlichen Plenumssitzung teilzunehmen.

Haben Sie sich beim Amtsantritt Ziele gesetzt?
Da muss man ehrlich bleiben. Als stellvertretendes und ehrenamtliches unparteiisches Mitglied kann man nicht das große Rad drehen. Jedoch kann man seine oft jahrzehntelangen beruflichen Erfahrungen aus einer Vielzahl von Funktionen im Gesundheitswesen gut in die Arbeit des G-BA einbringen.

Das Gesundheitssystem hat verschiedene Themen mit hoher sozio-politischer Relevanz, unter anderem die Themen der Pflegeversorgung oder Digitalisierung. Welche Themen sind für Sie persönlich wichtig?
Jeder hat natürlich Themen, die ihm besonders am Herzen liegen. Die „alternde Gesellschaft“ stellt eine große Herausforderung für unsere Gesellschaft dar. Besonders gefordert sind dabei unser Gesundheitswesen und der lange vernachlässigte Pflegebereich. Um älteren Menschen gerecht zu werden, bedarf es eines Einfühlens in deren Lebenswirklichkeit und ihren speziellen Bedürfnissen. Ein barrierefreier Zugang zu Arztpraxen oder in die Apotheke zählt dazu. Ein möglichst treppenfreier Zutritt zu Geschäften und Gaststätten ist in Deutschland leider nicht üblich. Die Hilfsmittelversorgung stellt sich häufig nicht optimal dar. Es müssen Fahrdienste für mobilitätseingeschränkte Menschen geschaffen und die Möglichkeiten der Digitalisierung für Hausnotrufsysteme genutzt werden. Ich bin froh, dass jetzt die Pflege als „pflegebedürftiger“ Bereich von der Politik erkannt worden ist. Zuerst muss die Politik handeln, der G-BA kümmert sich dann um die Einzelheiten.

Das Interview führten Amelie von Falkenhausen und Benjamin Azadi.