Mehr Versorgungseffizienz durch geschlechtersensible Medizin – Interview mit Dr. Martina Kloepfer (Institut für Gender-Gesundheit)

Dr. Martina Kloepfer (Institut für Gender-Gesundheit) moderiert auf dem BMC-Kongress die Session „Mehr Versorgungseffizienz durch geschlechtersensible Medizin“.

Gendermedizinische Erkenntnisse sollen laut Koalitionsvertrag in der Versorgung ankommen. Sind sie das bereits? Wo besteht Ihrer Meinung nach noch der größte Handlungsbedarf?

Dr. Martina Kloepfer: In Teilen sind die Erkenntnisse wohl angekommen, z.B. beim Thema Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hier rücken Frauen verstärkt in den Fokus – auch in den Leitlinien. Beim Thema Depression werden dagegen mehr und mehr Männer berücksichtigt. Auch wenn inzwischen bei Studien, z.B. zu Wirkstoffen, Frauen explizit mitberücksichtigt werden müssen, sehe ich hier noch Handlungsbedarf. Um ein Beispiel zu nennen: die Corona-Impfung hat v.a. bei jüngeren Frauen verstärkt zu Nebenwirkungen geführt; möglicherweise könnte bei Frauen eine geringere Dosis zum gleichen Impfschutz führen, aber mit geringeren Nebenwirkungen. Das gilt es noch zu erforschen.

Wie lässt sich geschlechtersensible Medizin erfolgreich realisieren?

Dr. Martina Kloepfer: Aus- und Weiterbildung sind meines Erachtens die Türen, durch die geschlechtersensible Medizin in den Versorgungsalltag Eingang findet; denn eigentlich ist es ja ein interdisziplinäres Fach, das die Geschlechterunterschiede in Symptomatik, Diagnose und Therapie bei den Erkrankungen berücksichtigen sollte, die beide Geschlechter betreffen. Insofern ist es sehr erfreulich, dass diesbezüglich Aus- und Weiterbildung – aller Gesundheitsberufe – ausdrücklich im Koalitionsvertrag verankert wurden.

Wenn wir in 10 Jahren auf das Thema zurückblicken: Wo werden wir stehen und wie ist uns das gelungen?

Dr. Martina Kloepfer: Ich denke, dass wir mit einer Änderung der Approbations- und Weiterbildungsordnung einen großen Schritt vorankommen. Die Ärzteschaft des kommenden Jahrzehnts wird mit dem Thema sicher selbstverständlicher umgehen, als das in Teilen in der Vergangenheit der Fall war. Gendermedizin wird inzwischen nicht nur in ausgewählten Fachkreisen diskutiert, sondern auch in den Öffentlichkeitsmedien. Patienten und Patientinnen sind dadurch deutlich informierter und in der Lage, ggf. bei ihrer Ärztin oder ihrem Arzt nachzufragen. Ich hoffe, dass viele gendermedizinische Erkenntnisse als State of the art in der Versorgung integriert sein werden.

Wie lässt sich mit einer geschlechtersensiblen Medizin die Versorgungseffizienz heben? Dieser Frage widmet sich die Session des Instituts für Gender-Gesundheit am 20. Mai auf dem BMC-Kongress.